Veranstaltung: | GRÜNES Kommunalwahlprogramm 2020 für Nürnberg |
---|---|
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Mitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 06.12.2019 |
Eingereicht: | 08.12.2019, 22:09 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Wirtschaft und Finanzen
Beschlusstext
Nürnberg nachhaltig und fair
Höhere Lebensqualität für die Bürger*innen, das ist das Ziel grüner
Wirtschaftspolitik für Nürnberg. Wir setzen zwischen Wirtschaft und Umweltschutz
ein „Und“ – kein „Oder“. Dies bedeutet, dass sämtliche wirtschaftspolitischen
Maßnahmen der Stadt Nürnberg dahingehend überprüft werden, ob sie mit den
Klimazielen der UN-Klimakonferenz von 2015 kompatibel sind.
Die Wirtschaft in unserer Stadt ist in gutem Zustand, die mittelständisch
geprägte Wirtschaftsstruktur hat den Zusammenbruch fast all ihrer
Großunternehmen – zuletzt Quelle – gut verkraftet.
Dennoch muss die Nürnberger Wirtschaft, die stark industriell geprägt ist, in
den Zeiten von Digitalisierung und Klimawandel zukunftsfest werden. So brauchen
wir eine Stärkung der teilweise schon in der Stadt verwurzelten
Zukunftsbranchen. Auch Mittelstand und Handwerk als Rückgrat der lokalen
Wirtschaft müssen gute Entwicklungsmöglichkeiten bekommen.
Insbesondere folgenden Branchen wollen wir attraktive Standortbedingungen
bieten:
Erneuerbare Energietechnologien
Informationstechnik
Umwelttechnik
Kreativwirtschaft
Die Stadt Nürnberg verfügt mit der Flächenpolitik über eine wirkungsvolle
Stellschraube. Durch gezielten Flächenerwerb kann die Stadt die Entstehung neuer
Wohn- und Unternehmensquartiere fördern. Insbesondere freiwerdende Flächen
wollen wir für Unternehmen aus Zukunftsbranchen sowie für dringend benötigten
Wohnraum, aber auch für eine Begrünung der Stadt nutzen. Nicht zuletzt ist Grüne
Infrastruktur auch ein wichtiger Standortfaktor für die Attraktivität der Stadt
für Fachkräfte.
Wir müssen in Zukunft viel nachhaltiger wirtschaften, und das bedeutet für
Nürnberg, die regionalen Wertschöpfungsketten zu stärken. Wenn mehr Geld in der
Region bleibt, kommt das der regionalen, mittelständischen Wirtschaft zugute und
unnötige LKW-Transporte werden vermieden. Damit wollen wir anfangen, indem
öffentliche Betriebe und Kantinen ihre Nahrungsmittel konsequenter regional und
möglichst bio einkaufen. Dabei spielt insbesondere das Knoblauchsland eine
wichtige Rolle. Einer weiteren Versiegelung der landwirtschaftlichen Flächen
muss dringend Einhalt geboten werden.
Die Stadt bietet sehr viele Arbeitsplätze - nicht nur für die eigenen
Bürger*innen, sondern auch für viele Einpendler*innen aus dem Umland. Aktuell
pendeln mehr als 50% der Arbeitnehmer*innen von außerhalb nach Nürnberg ein,
meistens mit dem PKW. Das ist deutlich mehr als in vergleichbaren Städten.
Nürnberg erleidet bereits einen Verkehrsinfarkt. Wir brauchen unbedingt eine
Kehrtwende in der Flächenpolitik und in der Stadtentwicklung insgesamt. Denn wir
wollen Nürnberg zu einer Stadt der kurzen Wege entwickeln, wie wir es im Kapitel
zur Stadtentwicklung skizzieren.
Neue Unternehmen aus Zukunftsbranchen, die sich zu ökologischer Flächennutzung
verpflichten, erhalten Vorrang bei der Vergabe städtischer Flächen. Außerdem
stärken wir Start-Ups aus diesen Branchen, in dem wir städtische Gelder
bereitstellen und zielgerichtete Beratung für staatliche und europäische
Fördermittel anbieten. Wir nutzen die einmalige Chance, die die Errichtung der
neuen Technischen Universität im Süden Nürnbergs bietet, um eine nachhaltige
Quartiersentwicklung mit der Schaffung von exzellenten Rahmenbedingungen für
einen kreativen Gestaltungsraum für interdisziplinäre Forschung, innovative
Industrie und städtische Akteure zu verknüpfen. Dabei stärken wir Ansätze, die
die ökologische Transformation vorantreiben.
Betriebsrät*innen und Gewerkschaften sind für uns Grüne tragende Säulen von
Wirtschaft und Gesellschaft und kein Gegensatz zu Unternehmer*innen. Wir fordern
daher die grundsätzliche Einhaltung der Tariftreue bei öffentlichen Vergaben.
Ebenso drängen wir auf Einhaltung fairer Entlohnung für Praktikant*innen.
Wir setzen uns dafür ein, dass in Nürnberg ein größerer Markt für Produkte aus
fairem Handel entsteht. Denn fairer Handel trägt dazu bei, dass Produzent*innen
im globalen Süden von ihrer Arbeit angemessen leben können. Wir unterstützen die
Arbeit der Initiativen rund um die Kampagne „Fair Trade Town“ in Nürnberg und
sehen die Stadt selbst in der Pflicht, das Beschaffungswesen nachhaltiger zu
gestalten und mehr faire Artikel einzukaufen.
Immer mehr Städte und Gemeinden greifen die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ)
auf. Stuttgart zum Beispiel wendet bereits die Gemeinwohl-Bilanzierung für
mehrere kommunale Betriebe an und stellt Fördermittel für die notwendige
Umstellung an Unternehmen bereit. Der Gedanke, dass die gesamte wirtschaftliche
Tätigkeit dem Gemeinwohl dient, findet sich in der bayerischen Verfassung
wieder. In diesem Sinne fordern wir die Einführung der Gemeinwohl-Bilanzierung
bei städtischen Eigenbetrieben.
Die Produktion von Waffen passt nicht zum Leitbild Nürnbergs als Stadt der
Menschenrechte. Deshalb stellen wir uns gegen jede Neuansiedlung und den Ausbau
solcher Firmen. Außerdem soll die NürnbergMesse keine militärischen Waffenmessen
mehr ausrichten.
Ein Haushalt im Zeichen der Lebensqualität
Wir Grüne wollen vorhandene Ressourcen intelligent und zielgerichtet einsetzen.
Bei jeder Ausgabe muss die Frage gestellt werden, ob und wie sie mittelfristig
die Lebensqualität für die Bürger*innen verbessert. Nachhaltigkeit ist der
Schlüssel dazu, daher haben für uns Klimaschutzprojekte Vorrang – alle
Investitionen müssen auf dieses Ziel abzielen.
Grüne Haushaltspolitik bedeutet auch: Die Kosten für ein Projekt müssen in einem
vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen. Außerdem müssen wir bei allen
Investitionsentscheidungen die Folgekosten im Blick behalten und begrenzen. Das
ist beispielsweise beim Frankenschnellweg nicht der Fall: dessen Kosten belaufen
sich auf geschätzte 750 Mio. Euro, davon entfällt ein Eigenanteil für die Stadt
von bis zu 300 Mio. €, sowie Wartungskosten von 3-5 Mio. € Euro jährlich. Die
eingesparten Mittel der Streichung des kreuzungsfreien Ausbaus des
Frankenschnellwegs wollen wir sinnstiftender einsetzen, wie für einen
„Nürnberger Klimaschutzfonds“.
Außerdem wollen wir Grünen:
Dass sich die Verkehrswende im Haushalt niederschlägt – die Mittel müssen
weg vom Autoverkehr hin zur Verbesserung von ÖPNV und Radverkehr
verschoben werden
Dass die Erreichung der obigen Ziele anhand regelmäßiger
Fortschrittsberichte der Öffentlichkeit offengelegt wird
Wir begrüßen den Entschluss der Stadt, sich zur Umsetzung der von den Vereinten
Nationen definierten 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (Englisch
„Sustainable Development Goals“, kurz SDGs) bekannt zu haben und streben daher
eine Nachhaltigkeitsberichtserstattung der Stadt Nürnberg an, die für jedes SDG
einen Indikatorensatz bereitstellt, der den kontinuierlichen Fortschritt adäquat
abbildet. Die Vergleichbarkeit mit anderen Städten sollte dabei gewährleistet
werden.
Ein grüner Haushalt ist immer ein generationengerechter Haushalt. Deshalb dürfen
wir unseren Enkelkindern keine untragbare Schuldenlast hinterlassen. Die
Herausforderungen im Investitionsbereich unserer Stadt sind dennoch gewaltig und
können oftmals nicht von der Stadt Nürnberg allein gestemmt werden. Damit die
Stadt in ihre Zukunft investieren kann, müssen Land und Bund die Kommune solider
finanzieren.
Städtisches Vermögen und Rücklagen investieren wir außerdem in ethische
Geldanlagen, sozialen Wohnungsbau und den Ankauf von Wohnimmobilien und
Grünflächen mithilfe der Nutzung von städtischen Vorkaufsrechten. Zudem setzen
wir sämtliche klimaschädlichen Wertanlagen im Sinne von Divestment ab. Die
kommunale Daseinsvorsorge – Wasser, Energie, Verkehr, Gesundheit, etc. – soll in
städtischer Hand bleiben, diesbezügliche Privatisierungen schließen wir aus.
Tourismus
Nürnberg gehört als Tourismusziel sowie als Messe-, Tagungs- und Kongress-Ort zu
den Top-Ten in Deutschland. Die steigenden Besucherzahlen in den letzten Jahren
zeigen: Nürnberg ist eine weltoffene Stadt und ein Ort für den Austausch von
Wissen und Innovationen.
Wir treten dafür ein, dass Nürnberg sich stärker als Ziel für nachhaltigen
Tourismus positioniert, dazu gehören etwa mehr Informationen über „grüne“
Sehenswürdigkeiten, Online-Tickets für Kulturangebote der Stadt und Unterkünfte
und mehr Werbung für Möglichkeiten der umweltschonenden Anreise. Dabei ist uns
wichtig, ein inklusives städtisches Angebot zu liefern. Insbesondere haben wir
die Sicherstellung der Barrierefreiheit im Blick.
Weniger Müll, mehr verwerten: Kreislaufwirtschaft fördern
Eine vielfältige und intakte Natur ist unsere Lebensgrundlage. Deshalb setzen
wir uns dafür ein, dass Eingriffe in Umwelt und Natur so gering wie möglich
bleiben, Rohstoffe schonend gewonnen, effizient verwendet und im Kreislauf
genutzt werden. Unsere Devise ist weniger Verbrauch an Rohstoffen sowie deren
effiziente Wiederverwendung.
Wir wollen Kläranlagen mit Filtertechnologien für Mikroplastik aufrüsten und im
Dialog die Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft für das Thema
Plastikverschmutzung sensibilisieren. Die Müllentsorgung von Großbetrieben soll
hinsichtlich der Trennung verstärkt kontrolliert werden. Zudem benötigt es eine
Infrastruktur und Konzepte von Weiterverwertung von Restmaterialien der
Industrie, besonders aus dem Bausektor.
Perspektivisch soll Nürnberg zu einer „Zero-Waste-Stadt“ werden. Im Sinne der
Zero-Waste-Strategie soll die Stadt Nürnberg jede Alternative zu Plastik auf
ihre Nutzbarkeit hin evaluieren und, falls möglich, anwenden. Wir setzen uns
dafür ein, dass das Abfallmanagement bei Großveranstaltungen deutlich verbessert
wird und durchgängig Mehrweg statt Einweg angeboten wird.
Schlüsselprojekt Digitale Vertriebsgenossenschaft für
Einzelhandel
Wir erleben derzeit einen fundamentalen Wandel im analogen Einzelhandel.
Einkaufsverhalten und Kommunikation verändern sich grundlegend. Wir wollen mit
dem Handel eine digitale Plattform schaffen, die regionale Angebote heraushebt,
einfache Einkaufs- und schnelle Liefermöglichkeiten bietet und den Vorteil der
kurzen Wege nutzt.
Dabei geht es darum, Kräfte zu bündeln, insbesondere den inhabergeführten
Einzelhandel stark zu machen und die Vorteile einer lokalen Handelsstruktur zu
nutzen. Online und stationär stehen nicht in Widerspruch zueinander, sondern
können sich gegenseitig stützen.
Für Kund*innen entsteht dabei mehr Attraktivität und Komfort. Wir wollen
ökologisch nachhaltige Konzepte für die „letzte Meile“ fördern. Kollektive
Kleindepots und Lastenräder haben sich andernorts bereits etabliert und sollen
auch in Nürnberg zum Standard werden.